Mich beschäftigt das Erdbeben hier doch etwas stärker, als
ich eigentlich zugeben wollte. Ich stehe sicher auch unter dem Eindruck des
Bebens in Haiti von 2010, wo ich ja als Kameramann schon am 2. Tag nach der
Katastrophe vor Ort war und gesehen habe, was für grausame Zerstörungen es
gegeben hatte. Dieses Seebeben vor der Küste Chiles in der Nähe von Iquique und
Arica hatte wohl die gleiche Stärke auf der Richterskala wie das von 2010, aber
es war stark abgedämmt durch das Wasser und ausserdem bauen die Chilenen
deutlich stabiler als die Haitianer.
Ich habe gestern einige interessante Beobachtungen machen
können. Während des Bebens war es mucksmäuschenstill. Die üblichen Kläffer,
aber auch die Vögel, verhielten sich ausnahmsweise mal ruhig. Erst dachte ich
ja, ich sei an den Plastiktisch gestossen, weil das Wasser in der Wasserflasche
plötzlich heftig zu schwappen begann. Dann dachte ich, ich sei vielleicht schon
betrunken, obwohl ich eigentlich nur ein Bier zum Abendessen getrunken hatte.
Dann dachte ich, vielleicht kommt das auch schon wieder von der Höhe, muss man
doch wieder auf 3800 Meter klettern, um San Pedro de Atacama überhaupt zu
erreichen. Als dann aber der Strom ausfiel und die ersten Rufe zu mir
herüberschallten, war klar, hier handelt es sich um ein Beben. Ich habe noch
schnell ein kurzes Video gedreht von den Augenblicken, als die Erdstösse am
gewaltigsten waren und bin dann gleich zur Rezeption gerannt, wo schon andere
verschreckte Menschen mit Handys am Ohr rumstanden. Ein Mann hatte wohl so eine
Art Erdbeben-App auf seinem Handy, nicht unüblich hier in Chile bei der irren
seismischen Virulenz. Es wusste sofort, wie stark und wo das Epizentrum des
Bebens lag. Er hat mir auch auf die Schulter geklopft, um mich zu beruhigen. Er
kam schliesslich aus Conzeption, wo 2010 das Epizentrum des damaligen Bebens
lag. Man sei so etwas gewohnt, darüber rege sich schon keiner mehr auf. Und
richtig. Wenig später spielte die Band in der Nachbarkneipe El Condor Pasa auf
Panflöte. Zwischen all den musikalischen
Darbietungen jaulten die losgegangenen Alarmanlagen der Autos und die Feuerwehr
rückte ein paarmal aus, was die Unterhaltungsjungs aber nicht im Mindesten zu
irritieren schien. Und die Köter stimmten wie gewohnt fröhlich in das
akustische Allerlei ein...
Gerade wusste die Rezeptionistin, deren Eltern in Arica
leben, dass Arica derzeit ohne Strom ist und auch nicht angefahren werden kann,
weil keine Busse gehen und keine Ampeln und ausserdem sei die Stadt noch immer
evakuiert. Mein Container geht ja erst in einer Woche. Hoffentlich ist bis
dahin alles wieder back to normal.
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